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Teresas Leben

Trauerfeier – Ansprache Lutz Herber

Der Schriftsteller Matthias Claudius schreibt in seinem Gedicht Abendlied:

„Siehst du den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön! So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehn.“

Einige von uns mögen Teresa Gebauer nur kennengelernt haben, wie sie als Solistin oder als Chorsängerin auf der Bühne stand und mit ihrer Sopranstimme die Zuhörer begeisterte – mit einem Abendkleid angetan. Und wenn Sie sie vielleicht vierzehn Tage später im Gemeindehaus getroffen hätten – mit Jeans, Pullover, Staubsauger und Putzeimer –, hätten Sie sie vielleicht gar nicht wiedererkannt. Das war auch eine andere Hälfte dieses Mondes, den wir vielleicht nicht gesehen haben.

Teresa Gebauer Wang war eine tiefgläubige Mormonin, und sie sah den Zweck ihres Lebens nicht darin, mit ihren musikalischen Talenten zu kokettieren, sondern sie sah den Lebensinhalt darin, für andere da zu sein, anderen zu dienen, auch – natürlich – mit ihren musikalischen Talenten, aber eben auch dienen in Form von etwas in die Hand nehmen und auch weniger wertgeschätzte Arbeiten und Aufgaben zu erfüllen. Sie war sich dessen bewusst, dass dieses Leben die Zeit ist, wo wir uns vorbereiten, dermaleinst unserem Schöpfer wieder zu begegnen. Darüber hinaus war sie in unserer Gemeinde auch als Lehrerin berufen, als Lehrerin für Kinder einer bestimmten Altersstufe – so ungefähr fünf- oder sechsjährige Kinder sind das gewesen, die sie sehr liebevoll jeden Sonntag in Evangeliumsgrundsätzen unterrichtete. Und sie hatte nicht nur die Kinder in ihr Herz geschlossen, sondern auch die Kinder hatten sie lieb und sind am vergangenen Sonntag, als sie erfuhren, dass ihre geliebte Teresa nicht mehr da ist, in Tränen ausgebrochen. Und einer ihrer Schüler, der sechsjährige Jannis, hat ihr ein Bild gemalt zum Abschied, ein Bild von diesem heutigen Tag, von der anschließenden Beerdigung, die stattfinden wird, und er hat erklärt, was er dargestellt hat: Es ist die Teresa bei der Beerdigung mit einer weinenden Sonne und weinenden Menschen, die Teresa zu Grabe tragen. Teresa aber lacht, weil sie Jesus sieht! Sie sieht ihn. Der wunderbare evangelische Theologe Dietrich Bonhöfer schreibt in seinem Gedicht Von guten Mächten unter anderem:

„Von guten Mächten wunderbar geboren, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns, am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Diese Gewissheit hat ihr Leben bestimmt: dass sie eingehüllt ist in die Liebe eines liebenden Vaters im Himmel und seines Sohnes Jesus Christus.

Und diese Liebe hat sie nach außen getragen. Sie hat mit Menschen über ihren Glauben gesprochen und hat Menschen in ihren Bann ziehen können – durch ihren Glauben. So war sie auch hier in unserer Gemeinde an bestimmten Tagen da, um Besucher unserer genealogischen Bibliothek in das Haus zu lassen und ihnen, wenn es notwendig war, die nötige Hilfe bei ihren Ahnenforschungen zu geben. Und eines dieser Ehepaare hat mir gestern ein Beileids-E-Mail geschrieben. Und ich darf kurz ein paar Zeilen aus diesem E-Mail zitieren. Sie schreiben:

„Wir haben Frau Gebauer Wang im Rahmen der Genealogie kennengelernt und schätzen gelernt. Ihre freundliche Art, die wundervollen Gespräche und Plaudereien und ihre Hilfsbereitschaft werden wir sehr vermissen. Wir sind sehr dankbar, dass wir sie kennenlernen durften.“

Sie ist jetzt in eine andere Daseinssphäre hinübergegangen, wo sie von guten Mächten wunderbar geborgen ist und darauf wartet, dermaleinst mit ihrem Mann Wolfgang wieder für immer zusammen zu sein. Dieser wunderbare Glaube dieses sechsjährigen Jannis, der das Bild gemalt hat, ist uns ein Beispiel und Muster. Kinder sind etwas Großartiges. Ihre einfache Art zu glauben und nicht alles zu hinterfragen und für alles eine Antwort wissen zu wollen, sondern einfach nur etwas annehmen zu können, um zu wissen dass es so ist, sollte uns ein Beispiel sein. Jesus Christus hat einmal ein Kind in die Mitte einer Menschenmenge gestellt und hat gesagt:

„Wenn ihr nicht … [so rein und gläubig] wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ (Matthäus 18:3.)

Teresa hatte diesen im positiven Sinne kindlichen Glauben. Und in ihren schweren Wochen der Krankheit hat sie nie das Vertrauen in die Liebe Gottes verloren. Und heute nun verabschieden wir uns von ihr, aber auch wissend, dass für uns einmal diese Stunde kommen wird. Und dann hoffe ich, dass wir sagen können, wir haben uns bemüht, ein gutes Leben zu leben, wir haben unseren Nächsten geliebt. Und wie wir wissen, stehen wir nur im Dienste unseres Gottes, wenn wir im Dienste unserer Mitmenschen stehen. Im Namen Jesu Christi. Amen.

Trauerfeier – Teresas Leben Teil 4

Eingangs wurde die Frage aufgeworfen, warum Teresa nicht ihre Energie auf eines ihrer zahlreichen Talente konzentriert hat, um damit wirkliches Aufsehen erregen zu können. Was etwa ihre Stimme anging, fühlte ich mich immer an Maria Callas erinnert. Sie musste nur einen einzigen Ton singen, und man wusste sofort: das war sie. Die Callas war, was Gesangstechnik, Stimmfarbe und Ausstrahlung angeht, Teresas einziges Vorbild. Interessanterweise wurde Maria Callas nur wenig älter als Teresa, doch starb sie als einsame und unglückliche Frau. Teresa hat hingegen, soweit ich das beurteilen kann, ein glückliches und erfülltes Leben gehabt. Sie hätte niemals mit Maria Callas tauschen wollen, die zwar den Applaus der Welt bekam, aber unglücklich war, weil sie alles dem einen Ziel unterordnen musste, nämlich ein Weltstar zu werden.

Die Antwort auf die Frage ist vielschichtig, aber es steht ein Prinzip dahinter: Teresas Tagebucheinträge legen nahe, dass sie viel Zeit dafür aufgewendet hat, ihren Charakter zu veredeln und christliche Eigenschaften zu entwickeln, die sie näher zu Gott bringen. Sie war stets beseelt davon, seinen Willen in Erfahrung zu bringen und ihn dann auch in die Tat umzusetzen, ohne lange zu fragen.

Sie hatte ohne jeden Zweifel aufrichtige Freude daran, wenn sie anderen dabei helfen konnte, ihre Talente zu entwickeln. In ihrer Zeit als Pfahl-Musikverantwortliche rief sie vieles ins Leben, was bei allen Beteiligten nachhaltige Begeisterung hervorgerufen hat. So rief sie etwa zur selben Zeit, als der Kammerchor Vocalis gegründet wurde, das Deseret Vokalensemble ins Leben. Es sollte den Zweck verfolgen, die Gemeinden im ganzen Pfahlgebiet bei musikalischen und auf Missionsarbeit ausgerichteten Veranstaltungen zu unterstützen und zu stärken. Über viele Jahre hatte das Ensemble zahlreiche Auftritte in allen Gemeinden des Pfahls. Das Deseret Vokalensemble wurde beinahe ausschließlich von Teresas Energie angetrieben und von der Begeisterung der Beteiligten getragen. Sie plante akribisch die Proben und stellte sicher, dass jeder, der mitmachte, bei Laune blieb. Immer brachte sie etwas Leckeres zum Essen zu den Proben mit. Unermüdlich rackerte sie sich ab, um möglichst vielen Menschen eine Freude machen zu können und ihnen das Samenkorn des Evangeliums ins Herz pflanzen zu können.

Später dann rief sie die legendären Musical- und Filmmusikabende ins Leben. Sie schaffte es, eine Vielzahl unterschiedlichster Charaktere zum Mitmachen zu bewegen und bezog vor allem die Jugendlichen ein. Ihre Organisationskünste werden für immer unvergessen bleiben. Mir ist es bis heute ein Rätsel, wie immer wieder mit relativ geringem Probenaufwand und in einer Zeitspanne von wenigen Monaten ein Ereignis auf die Beine gestellt werden konnte, das Jung und Alt gleichermaßen in seinen Bann zog.

Teresa stand immer für Begeisterung. Sie war der begeistertste Mensch, dem ich jemals begegnet bin und lebte für ihre rechtschaffenen Ziele.

Das vielleicht herausragendste Wesensmerkmal von ihr war ihre Fähigkeit, in die Seele anderer Menschen blicken und aufrichtig empfundene Freundschaft schließen zu können. Diese Zuneigung brachte sie dazu, ihren Mitmenschen vom Evangelium zu erzählen. Sie war an zahlreichen Bekehrungen beteiligt, ohne dass sie zugegeben hätte, dass sie etwas mit ihr zu tun haben könnten. Lieber hielt sie sich im Hintergrund, so wie sie auch fast nie solistisch als Sängerin in der Kirche zu hören war. Immer ließ sie anderen den Vortritt.

Die letzten drei Wochen ihres Lebens müssen für Teresa sehr schwer gewesen sein. Ihr Körper verlor beinahe täglich an Kraft und Bewegungsfähigkeit, ihre Sprachfähigkeit wurde zusehends beeinträchtigt, zum Schluss war sie hilflos wie ein kleines Kind und musste gefüttert werden. Doch aß und trank sie viel zu wenig, als dass ihr geschundener, schmerzender Körper wieder jemals hätte zu Kräften kommen können. Ich war rund um die Uhr bei ihr und wurde nur von einem Wunsch beseelt: ihr zu dienen und ausschließlich für sie da zu sein. Sie ist schließlich am Donnerstag, den 6. März 2014 um 2 Uhr morgens friedlich in meinen Armen eingeschlafen. Sie verspürte keine Schmerzen und ging mit einem Lächeln in die Ewigkeit über.

Ein paar Wochen zuvor, als sie in der Krebsklinik im Pfälzer Wald auch bereits von heftigen Schmerzen heimgesucht wurde, hat sie ein Lied geschrieben, das ich in einem Notenheft fand, das in ihrem Zimmer auf dem Tisch lag. Melodie und Text legen Zeugnis ab von ihrem außergewöhnlichen Talent, von dem heftigen Kampf, den sie ausgefochten hat und von der Hoffnung, ihre himmlische Heimat wiederzusehen. Dieser sehnliche Wunsch ist ihr nun erfüllt worden.

 Hier geht’s zu den MP3-Aufzeichnungen der Trauerfeier mit Teresas Komposition Ich komm aus einer Welt.

Trauerfeier – Teresas Leben Teil 3

Teresa war ein Familienmensch. Ihre Familie lag ihr sehr am Herzen, und da die Familienforschung in der Kirche eine große Rolle spielt, wollte sie unbedingt ihre Familie in China ausfindig machen. Nach dem Wegzug aus China gab es keinerlei Verbindungen mehr zur verbliebenen Familie. Es folgt nun ein Bericht aus Teresas eigener Feder, der ursprünglich für die Veröffentlichung im Liahona gedacht war:

Für immer vereint

Ich bin in einer traditionellen, buddhistischen Familie in Taiwan aufgewachsen. Bereits in meiner Jugendzeit war ich auf der Suche nach dem wahren Schöpfer. Mit achtzehn fand ich die Kirche Gottes und entschloss mich bald zur Taufe. Wie viele andere bekehrte Mitglieder in Taiwan stand auch ich nach der Taufe vor einer Menge Herausforderungen. Meine Brüder meinten, ich hätte unseren Ahnen gegenüber etwas Schändliches getan, weil ich mich einer ausländischen Kirche angeschlossen hatte. Auch meine Mutter war nicht ganz einverstanden mit meiner Entscheidung, hatte jedoch wegen der Anschuldigungen meiner Brüder Mitleid mit mir. So verging ein ganzes Jahr, bis meine Mutter unheilbar krank wurde.

Während ihrer Krankheit sprach sie häufig über ihre Familie in China, die sie seit der Zeit, da sie China verlassen musste, nie wieder gesehen hatte und zu der sie aufgrund der politischen Umstände keine Verbindung haben konnte. Ich spürte, wie groß ihre Sehnsucht nach ihrer Familie in der alten Heimat war. Damals war ich aber zu jung, um die Bedeutung all dessen zu verstehen, was sie bewegte. Sie war kein Mitglied der Kirche, doch war sie eine tugendhafte Frau. Nachdem mein Vater bereits zehn Jahre zuvor schwer erkrankt und von dieser Welt geschieden war, hielt sie die Familie zusammen. Sie war die beste Mutter, die ich mir vorstellen konnte, und sie widmete ihren Kindern bis zum Ende ihres Lebens alles, was sie hatte. Das schönste und letzte Erlebnis, das ich mit ihr haben durfte, war an einem Tag kurz vor ihrem Tod, als sie voll Schmerzen im Bett lag. Ich fragte sie, ob sie mit mir beten würde, denn der Gott, an den ich glaube, könne ihre Schmerzen lindern. Sie war einverstanden, und so haben wir gemeinsam unser erstes und letztes Gebet gesprochen. Nach dem Gebet konnte sie ruhig schlafen. Ein paar Tage später ging sie in Frieden in die Geisterwelt über.

Als neues Mitglied der Kirche lernt man, dass man nach seinen Vorfahren forschen und für die verstorbenen Familienmitglieder im Tempel heilige Handlungen vollziehen soll. Das tat ich auch für meine Eltern. Danach dachte ich mir, meine Aufgabe sei erfüllt, da ich nicht wusste, wie ich meine Ahnenforschung hätte fortsetzen können. Die Informationen, die meine Eltern hinterlassen hatten, waren leider nur äußerst spärlich.

Dann kam ein Wendepunkt, denn der Herr ließ mich wissen, dass es noch längst nicht ausreichte, was ich für meine Ahnen getan hatte.

Im Jahr 2003 sprach Präsident James E. Faust bei der Herbst-Generalkonferenz über Ahnenforschung. Seine Worte drangen tief in mein Herz und ließen mich nicht mehr los. Ich hatte das Gefühl, dass er besonders zu mir gesprochen hatte. Ständig musste ich an meine Verwandten in China und an meine Mutter denken. Mir war klar, dass ich etwas unternehmen musste. Erfreulicherweise waren sich zu diesem Zeitpunkt die Volksrepublik China und Taiwan politisch näher gekommen. Es war taiwanesischen Bürgern erlaubt aufs Festland zu reisen, um dort ihre Verwandten zu besuchen. Die Regierung auf dem chinesischen Festland hatte eine Dienststelle eingerichtet, an die sich Taiwanesen wenden und Hilfe erhalten konnten, um ihre Verwandten in China zu finden. Also plante ich meine erste Ahnenforschungsreise nach China.

Im Frühjahr des Jahres 2004 traf ich in der Heimatstadt meiner Eltern ein, in Wuhan. Mit der Hilfe der besagten Dienststelle machte ich die Gegend ausfindig, wo meine Eltern früher gelebt hatten. Die Namen der Ortschaften hatten sich jedoch geändert, und während der Kulturrevolution waren viele genealogische Aufzeichnungen vernichtet worden, was die Sache noch schwieriger machte. Ich musste immer an Nephi denken, der immer fest entschlossen war, die Gebote zu halten: „Der Herr gibt den Menschenkindern keine Gebote, ohne ihnen einen Weg zu bereiten, damit sie das vollbringen können, was er ihnen gebietet.“ (1Nephi 3:7.) Also ging ich auf der Suche nach meinen lebenden Verwandten Schritt für Schritt von Dorf zu Dorf. Nach einer Woche fand ich endlich die Straße, wo mein Vater gelebt hatte. Ein Greis saß am Straßenrand. Ich erkundigte mich bei ihm nach meiner Familie. Plötzlich sah er mich mit strahlenden Augen an und fragte: „Weißt du, wer ich bin? Ich bin dein Onkel, der Bruder deines Vaters.“ Er erzählte mir vieles über meine Eltern und stellte mir seine ganze Verwandtschaft vor. So nahm das Ahnenforschungswunder seinen Anfang.

Ein Jahr später setzte ich meine Familienforschung fort. Mit der Hilfe meiner lebenden Verwandten in China fand ich in einem abgelegenen Ort mehrere Ahnenbücher, worin Herkunft und Geschichte der Familie meines Vaters über einen Zeitraum von mehr als 300 Jahren verzeichnet waren. Ich war überglücklich, aber meine Vorfahren mütterlicherseits waren nicht zu finden. Die Dienststelle versprach mir, nach meiner Abreise aus China weitere Nachforschungen über die Familie meiner Mutter anzustellen.

Mehrere Jahre vergingen, doch von den chinesischen Behörden hörte ich nichts. Meine Sehnsucht, endlich etwas über die Familie meiner Mutter in Erfahrung zu bringen, wurde immer größer. Anfang 2011 entschloss ich mich, wieder nach China zu reisen, um den jüngeren Bruder meiner Mutter zu finden. Aber wohin sollte ich gehen? Wie konnte ich das nur bewerkstelligen? Vor der Abreise bat ich meinen Mann, mir einen Priestertumssegen zu geben. Dann trat ich voller Vertrauen meine Reise an, hinein ins Ungewisse.

Ich wusste, dass mein Großvater – der Vater meiner Mutter – in seiner Heimat aufgrund seiner Hilfsbereitschaft sehr angesehen war. Es musste jemanden geben, der von ihm gehört hatte, oder es mussten sich irgendwelche Spuren finden lassen, die mich zu seinen Nachkommen hinführen konnten. Ich entschloss mich, die Dienststelle noch einmal aufzusuchen. Die Beamten berichteten mir, dass sie niemand hatten ausfindig machen können und entschuldigten sich, dass sie nicht mehr für mich tun konnten. Mit großer Enttäuschung verließ ich die Behörde. Verzweifelt fragte ich den Vater im Himmel: „Was soll ich tun? Soll ich aufgeben? Wenn du nicht möchtest, dass ich aufgebe, wohin soll ich gehen?“ Zur selben Zeit sah ich, wie sich ein paar Menschen auf der Straße angeregt unterhielten. Ich bat sie um Auskunft über meine Familie. Sie diskutierten kurz miteinander, dann erwiderte die älteste der Frauen: „Lauf am besten zurück, etwa hundert Meter entfernt auf der rechten Seite der Straße wohnt ein alter Mann, vielleicht weiß der Bescheid.“ Ich tat, was sie mir geraten hatte. Tatsächlich war da ein Mann, der mit einigen anderen Gästen im Haus Majiang spielte. Wir unterhielten uns draußen ein paar Minuten, doch stellte ich bald fest, dass ihm mein Großvater unbekannt war. Gerade wollte ich wieder gehen, als eine hochbetagte Frau, die drinnen am Spieltisch saß, ausrief: „So einen Mann kannte ich, seine Enkelkinder wohnen in der Nähe.“ Das machte mich überglücklich. Bald schon hatte ich eine meiner Cousinen gefunden. Durch sie konnte ich mit dem jüngeren Bruder meiner Mutter Kontakt aufnehmen. Er erzählte mir, wie sehr er uns vermisst hat. Zweimal war er nach Taiwan gereist und hatte vergeblich versucht, uns ausfindig zu machen. Voll Freude musste ich daran denken, was mir in dem Segen, den ich vor meiner Reise empfangen hatte, verheißen worden war: „Deine Ahnen werden dich führen, und du wirst sie finden.“ Ich musste auch an die Schriftstelle denken, die ich an jenem Morgen gelesen hatte: „Und dann wird die Macht des Himmels unter sie herabkommen; und auch ich werde inmitten sein. … Ich werde vor ihnen hergehen, spricht der Vater, und ich werde ihre Nachhut sein.“ (3 Nephi 21:25-29.) Plötzlich verstand ich, wie das Werk des Herrn auf der Erde verrichtet wird. Wir arbeiten nicht nur mit den Lebenden, sondern auch mit den Verstorbenen im Jenseits und mit den Engeln. Durch das Priestertum sind wir miteinander verbunden und aufeinander angewiesen. So reichen wir einander die Hand und helfen uns gegenseitig.

Die Worte von Maleachi sind wahr. Durch das Evangelium Jesu Christi wird die wahre Bedeutung der Familie offenbart. Durch die Macht des Himmels wird die Kluft zwischen Leben und Tod überbrückt. Ohne die Hilfe Gottes sind wir wahrhaftig verloren. Er versetzt uns in die Lage, unsere Familie mit anderen Augen zu betrachten, so dass sich unser Verständnis für das Band der Liebe zwischen den Familienmitgliedern erweitert. Welche große Hoffnung und Freude werden uns doch zuteil, wenn unsere Liebe dadurch, dass wir unser Herz unseren Vorfahren zuwenden, immer mächtiger wird. Der Herr hat uns durch seine wiederhergestellte Vollmacht ermöglicht, für sie stellvertretende heilige Handlungen im Tempel zu vollziehen. Hierdurch können wir gemeinsam mit ihnen die größte Freude empfinden, die der Herr seinen Kindern verheißen hat. Diese Erkenntnis stimmt mich demütig und dankbar.

Das Stück, das jetzt folgt, ist das Recordare aus dem Requiem von Mozart. Recordare heißt erinnern, und ich erinnere mich gern daran, wie ihre engelsgleiche Stimme über den anderen Stimmen geschwebt hat.

Hier geht’s zu den MP3-Aufzeichnungen der Trauerfeier mit dem Recordare aus Mozarts Requiem.

Trauerfeier – Teresas Leben Teil 2

Teresa hat in der Kirche niemals eine Berufung abgelehnt. Sie glaubte an die von Gott verliehene Vollmacht des Priestertums und wusste, dass sie Gott beleidigen würde, wenn sie eine an sie herangetragene Berufung zurückweisen würde. In ihrem Tagebuch schreibt sie: „Mein Wunsch zu dienen ist so stark, dass ich nie Angst hatte, irgendeine Berufung anzunehmen. Ich wünsche mir, Gott näher zu kommen und durch das, was ich tue, mehr Erkenntnis zu erlangen.“

Diese Haltung befähigte sie zu außergewöhnlichen Leistungen in den Aufgaben, die ihr übertragen worden waren. So wurde sie beispielsweise relativ bald als Chorleiterin berufen, hatte jedoch keinerlei Erfahrung, weder was das Dirigieren, noch was die Musik als solche anging. Also setzte sie sich hin, betete und machte sich ans Werk. Sie war sehr wissbegierig und las und lernte viel. Für diese Einstellung wurde damals der Grundstein gelegt, und sie behielt ihre Wissbegierigkeit und ihren Lerneifer ihr ganzes Leben lang bei. Als Chorleiterin war sie mit ihrem kleinen Gemeindechor sehr erfolgreich. Sie nahm mit ihm sogar an einem Chorwettbewerb teil, den sie schließlich gewann.

Teresa hatte das Evangelium ganz und gar und bedingungslos – mit jeder Faser ihres Seins – angenommen. So war es nur konsequent, dass sie sich darauf vorbereitete, eine Mission zu erfüllen. Als sie 21 geworden war, wurde sie zunächst fünf Monate in die Taipei-Mission berufen, von wo aus sie dann die reguläre 18 Monate dauernde Mission in der Taichung-Mission antrat. Insgesamt war sie also fast zwei Jahre auf Mission. Ihre Missionszeit war bis dahin die glücklichste Zeit ihres Lebens, und sie erzählte mir häufig von besonderen Erlebnissen, die sie hatte. Wir besuchten auch, wenn wir gemeinsam Taiwan bereisten, ihre alten Wirkungsstätten, wo viele Erinnerungen wieder wach wurden.

Die Zeit nach ihrer Rückkehr von Mission war schwierig. Teresa nahm eine Arbeit in einem Restaurant an, wo sie für die Buchhaltung zuständig war und auch als Bedienung fungierte und arbeitete fleißig, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn ich mich recht entsinne, hätte sie eigentlich nur zwei freie Tage im Monat gehabt, sie bestand jedoch darauf, am Sonntag frei zu haben, um in die Kirche gehen zu können. An allen übrigen Tagen musste sie von morgens bis spätabends arbeiten.

Als ich Teresa kennenlernte, war sie knapp 25 und zwei Jahre zuvor von Mission zurückgekehrt. Ich lernte sie im Restaurant kennen, das sich gegenüber von meinem Arbeitsplatz befand, dem neu erbauten Nationaltheater mitten in Taipei gleich neben dem Chiang-Kai-Shek-Gedächtnispark. Als ich sie einlud mit mir auszugehen, sagte sie mir gleich, sie habe nicht viel Zeit und es würde nur sonntags gehen. Ich könne mit ihr in die Kirche gehen und anschließend könnten wir in einem nahegelegenen Park spazieren gehen. So taten wir es, und es entwickelte sich rasch eine große Vertrautheit, die mich dazu brachte, sie nach Deutschland einzuladen, um ihr meine Heimat zu zeigen und sie meiner Mutter vorzustellen.

Fünf Monate, nachdem wir uns kennengelernt hatten – am 12. Februar 1988 – heirateten wir und zogen nach Deutschland. Es war eine Zeit, als noch nicht so viele Ausländer wie heute in Deutschland lebten, und lange Zeit schien sich Teresa in Deutschland nicht so recht wohl und aufgenommen zu fühlen. Immer wieder erzählte sie mir, wie sehr sie ihre Heimat vermisse, doch fand sie Freude und Stärkung im Evangelium und in zunehmendem Maße auch in der Musik.

Sie hatte eine von Natur aus schöne Stimme und fing an, Gesangunterricht zu nehmen. Kurze Zeit später kam noch Klavierunterricht dazu. Bald schon erarbeitete sie sich ein umfangreiches Repertoire an Kunstliedern und Opernarien. In Deutschland darf man, wenn man an einer Hochschule Musik studieren möchte, bei der Aufnahmeprüfung nicht älter als 25 sein. Teresa musste daher privat Gesang- und Klavierunterricht nehmen. Singen bereitete ihr viel Freude, und ihre Stimme entwickelte sich schnell. Sie war ein hoher Sopran, der bis zum hohen Es hinaufkam, hatte eine bewegliche Stimme wie ein Koloratursopran, aber ein schöneres und runderes Timbre, und konnte selbst dramatische Partien überzeugend darbieten, ohne durchdringend oder schrill zu klingen. Ihre Stimme hatte einen sehr hohen Wiedererkennungswert und war dennoch sehr wandlungsfähig. Darüber hinaus nahm sie noch Tanzunterricht bei einem chinesischen Tanzlehrer, der sie in die Kunst des Pfauentanzes einführte. Auch hier erreichte sie in ihren ersten Jahren in Deutschland ein sehr hohes Niveau und trat mehrfach öffentlich auf.

Teresas Kochkunst war legendär. Sie hatte bei ihrer Mutter ein Rüstzeug mitbekommen, das es ihr ermöglichte, ohne Kochbuch beliebig zu improvisieren und zu variieren. So kochte sie nicht nur Gerichte aus ihrer Heimat zur Begeisterung der zahlreichen Missionare, die in unserem Heim ein- und ausgingen, sondern auch Gerichte aus Deutschland und anderen Ländern oder erfand einfach neue. Das alles tat sie mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit.

Ich denke mir manchmal, sie hätte auf jedem dieser Gebiete weltweite Anerkennung finden können, wenn sie den hierfür notwendigen Aufwand getrieben hätte und alle ihre sonstigen Ziele diesem einen Ziel untergeordnet hätte. Es stellt sich vielleicht die Frage, warum sie es nicht getan hat. Doch darauf möchte ich später noch eingehen.

In Deutschland hatte sich Teresa, nachdem sie die ersten Anlaufschwierigkeiten überwunden hatte, ein sehr gutes Deutsch mit einer erstaunlich akzentfreien Aussprache angeeignet. Auch das rollende „R“, das man im Kunstgesang ja so dringend benötigt, bereitete ihr keine Probleme. Sie verriet mir einmal, dass sie, um das „R“ rollen zu können, sehr, sehr lange habe üben müssen. Aber wenn sie üben und lernen konnte, war sie in ihrem Element.

In München hatte Teresa schon einmal sehr erfolgreich als begleitende Dolmetscherin für Siemens gearbeitet. In dieser Funktion betreute sie chinesische Delegationen, begleitete sie zu Führungen und in Restaurants und kümmerte sich um sie. Sie entwickelte oft eine tiefe Zuneigung zu den Bezugspersonen, mit denen sie zu tun hatte. So war es damals noch üblich, dass in den Restaurants fleißig geraucht wurde. Da die meisten Chinesen starke Raucher sind, fanden die offiziellen Bankette oftmals in einer rauchvernebelten Atmosphäre statt. Teresa ertrug es tapfer, wies aber ihren damaligen Chef, der Kettenraucher war, immer wieder liebevoll darauf hin, dass es seiner Gesundheit nicht gut täte, wenn er weiterhin so viel rauchen würde.

Sie berichtete mir später einmal, dass sie ihn ein paar Jahre später auf der Straße wieder getroffen habe. Offenbar hatte er Kehlkopfkrebs bekommen und große Teile seines Kopfes waren von der Krankheit und Operationen so entstellt, dass sie ihren ehemaligen Chef kaum wiedererkannte. Sie unterhielten sich kurz auf der Straße, und er bedauerte es, damals nicht auf Teresa gehört zu haben. Nicht lange danach musste sie die Nachricht von seinem Tod verkraften und weinte bitterlich um ihn, denn sie hatte ihn von Herzen gern.

Teresa war eine geborene Lehrerin, und sie konnte sehr gut mit Kindern umgehen. Das lag vielleicht daran, dass sie sich ein im besten Sinne kindliches und sonniges Gemüt bewahrt hatte. Sie war in der Lage, die Welt mit den Augen eines Kindes zu sehen, lachte viel und gern und gelegentlich kam es vor, dass sie sich mit ihrem Namen am Telefon meldete und die Stimme am anderen Ende der Leitung nach dem Papa verlangte. Damit zog ich sie manchmal auf.

Es war ein Glücksfall für sie, dass sie eines Tages das Angebot bekam, in einer privaten Musikschule in Aichach zu unterrichten, denn sie hatte ja keine formelle Ausbildung, sondern all ihre Kenntnisse im Privatunterricht erworben. Eine russische Freundin hörte als Klavierlehrerin bei der Schule auf, und sie bat Teresa, an ihrer Stelle weiterzumachen. Sie stellte sich also bei der Musikschule vor und bekam den Job als Klavier- und Gesanglehrerin.

Ich habe oft mitbekommen, wie sehr Teresa auf ihre Schüler eingegangen ist. Sie hat Unmengen von Noten- und sonstigem Material eingekauft, um den Unterricht interessant zu gestalten und hatte die Gabe, sich auf jeden ihrer Schüler einzustellen. Teresa war immer der Meinung, dass gute Musik eine wunde Seele heilen kann und pflanzte ihren Schülern ihre aufrichtige und tiefempfundene Liebe zur Musik ins Herz und ging in dieser Tätigkeit vollkommen auf.

Eine Anekdote aus jüngerer Zeit mag das belegen. Als Teresa am 2. Januar das Aufnahmegespräch in der Krebsklinik mit dem leitenden Arzt führte, meinte dieser, sie müsse zur Therapie mindestens fünf Wochen, wahrscheinlich sogar noch länger, bleiben. Teresa entgegnete, das sei auf keinen Fall möglich. Nach spätestens zwei Wochen müsse sie wieder zurück und ihre Schüler weiter unterrichten. Sie habe ohnehin schon eine Woche überzogen und Schwierigkeiten, die ausgefallenen Unterrichtsstunden nachzuholen. Außerdem könne sie ihren Chef nicht enttäuschen. Der Oberarzt machte ein sehr erstauntes Gesicht, als er das hörte, und als Teresa nach zwei Wochen klar war, dass sie weiterhin in der Klinik bleiben musste, war sie tieftraurig und zögerte lange damit, ihren Chef anzurufen und ihm zu sagen, dass sie so lange ausfallen würde.

Nun folgt ein sehr inniges Lied, das Teresa 2005 bei einem Konzert im kleinen goldenen Saal in Augsburg gesungen hat und in dem ihre Sehnsucht nach schlichter Schönheit besonders gut zum Ausdruck kommt.

 Hier geht’s zu den MP3-Aufzeichnungen der Trauerfeier mit dem Lied Amarilli mia bella.

 

Trauerfeier – Teresas Leben Teil 1

Es will mir schier das Herz zerreißen. Meine geliebte Teresa hat mich in eine bessere Welt verlassen, wo sie die Ruhe findet, die ihr nie vergönnt war und die sie auf Erden wohl auch gar nicht wollte; denn sie war eine rastlose Arbeiterin, beständig darauf aus, die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen zu erkennen und bereits im Voraus zu erahnen, was sie brauchen würden. Ich kann gar nicht glauben, dass ich – ihr Ehemann – ihr zu Ehren eine Trauerfeier ausrichte. Ich sichte viel Material, lese ihre Tagebücher, höre ihre Musik. Es kommt mir seltsam unwirklich vor, und die letzten drei Wochen sind für mich wie ein einziger Albtraum, aus dem ich gerne erwachen möchte, wobei mir bewusst ist, dass das nicht möglich ist. Doch weiß ich gewiss, dass alles, was in den letzten Wochen und Monaten geschehen ist, einem höheren Plan folgt. Und ich hoffe, diesen Plan irgendwann vollständig entschlüsseln zu können, damit sich mein Schmerz in wohlige Erinnerung wandelt und Frieden in mein Herz einziehen kann.

Teresas Familie stammt aus dem Herzen Chinas, aus der Stadt Wuhan in der Provinz Hubei. Die beiden ältesten Söhne der Familie wurden in China geboren. Es war eine unruhige Zeit, und die nach dem sogenannten langen Marsch erstarkten Kommunisten machten der regierenden Guomindang das Leben schwer. Im Jahr 1949 wurde der Bürgerkrieg zugunsten der Kommunisten entschieden, und Chiang-Kai-Shek zog sich mit seinen Gefolgsleuten auf die Insel Taiwan zurück. Auch Teresas Familie beschloss, China zu verlassen, und so brachen Vater, Mutter und die beiden Söhne im Jahr 1950 in eine ungewisse Zukunft nach Taiwan auf.

Teresa wurde am 29. September 1962 als achtes von neun Kindern in Taipei in Taiwan geboren. Sie sagte mir immer, ihre Kindheit sei glücklich gewesen, obwohl die Familie oft vieles entbehren musste. Aufgrund ihrer Erfahrungen in der Kindheit war sie immer der Meinung, ein Kind brauche nicht viele materielle Güter oder Spielsachen, um glücklich zu sein. Sie war ein großgewachsenes Mädchen und tollte mit ihren Spielkameraden gern im Freien herum. Teresa hatte sieben Brüder und eine Schwester. Den Vater plagten gesundheitliche Probleme. Er starb früh, und die Mutter schuftete hart, um ihre große Familie sattzubekommen. Da Teresas ältere Schwester gesundheitlich nicht in der Lage war mitzuhelfen, fiel Teresa die Aufgabe zu, ihre Mutter bei den vielfältigen Aufgaben, die zu Hause anfielen, zu unterstützen. Auf diese Weise eignete sie sich viele der Fähigkeiten an, die wir später an ihr so zu schätzen lernten.

Teresa war zwar schon immer künstlerisch interessiert und hatte entsprechende Veranlagungen, ihre Situation zu Hause ließ es jedoch ratsam erscheinen, eine handfeste praktische Ausbildung zu machen. So wurde sie Buchhalterin, ein Beruf, der für sie zwar nicht unbedingt die Erfüllung bedeutete, der aber dafür sorgte, dass sie später als junge Erwachsene ihr bescheidenes Auskommen hatte.

Als Jugendliche hing Teresa, wie in Taiwan allgemein üblich, dem buddhistischen Glauben an. Sie ging zu einer Meisterin, die sie unterrichtete, und im buddhistischen Tempel empfing sie ein Initiationsritual. In ihrem Herzen blieben jedoch viele Fragen offen, und so beschloss sie eines Tages, eine protestantische Glaubensgemeinschaft aufzusuchen und sich anzuhören, was die Christen zu den wichtigen Fragen des Lebens zu sagen hatten. Was man ihr über Jesus Christus erzählte, beeindruckte sie sehr, und sie erfuhr, dass jemand, der das Himmelreich erlangen wolle, auf den Namen Christi getauft werden müsse.

Nun stellte sie sich die Frage, was mit den vielen Menschen geschehe, die in China leben und die vielleicht nie in ihrem Leben die Gelegenheit bekommen würden, sich zu Jesus Christus zu bekehren und getauft zu werden. Diese Frage stellte Teresa einem der Glaubenshüter dieser christlichen Gemeinschaft. Die Antwort, die sie erhielt, war ein Schock für sie. Der Geistliche meinte zu ihr, diejenigen, die sich taufen lassen würden, seien erwählt und sehr gesegnet. Diejenigen, die sich nicht taufen lassen würden – aus welchem Grund auch immer – würden auf ewig in die Hölle hinabgeworfen. Teresa hatte einen angeborenen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, und so schleuderte sie diesem Geistlichen entgegen: „An einen Gott, der so etwas zulässt, kann ich nicht glauben!“

Kurze Zeit später wurde sie von einer Freundin zu einer Versammlung ihrer Glaubensgemeinschaft eingeladen. Teresa war zwar immer für alles offen und aufgeschlossen, konnte sich jedoch kaum vorstellen, dass es christliche Glaubensgemeinschaften geben könne, die in dem vorher erwähnten für sie wichtigen Punkt anderer Ansicht sein könnten. Doch etwas in ihrem Inneren sagte ihr, sie solle dort ruhig hingehen, und so tat sie ihrer Freundin den Gefallen und kam mit.

Bei der Versammlung, zu der sie eingeladen worden war, handelte es sich um eine Pfahlkonferenz der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Die Worte, die dort gesprochen wurden, gefielen ihr, und sie erfuhr, dass jeder Mensch, der auf dieser Erde lebt oder gelebt hat, eines Tages die Möglichkeit erhalten wird, den Namen Jesu Christi auf sich zu nehmen und sich taufen zu lassen. Als sie von der Lehre der stellvertretenden Taufe für Verstorbene in einem für den Herrn geweihten Tempel hörte, empfand sie große Freude und wusste, dass sie ihre geistige Heimat gefunden hatte.

Am 24. Mai 1981 schloss sich Teresa im Alter von 18 Jahren der Kirche an.

Zuvor war ihre Mutter schwer an Krebs erkrankt. Sie lag im Krankenhaus, und Teresa besuchte sie oft und pflegte sie hingebungsvoll. Sie brachte ihren Eltern stets große Achtung entgegen und liebte ihre Mutter über alles. Ein besonderes Erlebnis mit ihrer Mutter kurz vor ihrem Tod hat Teresa selbst aufgeschrieben. Davon hören wir etwas später noch.

Das nun folgende Lied hat Teresa einmal zu Übungszwecken aufgenommen. Sie wollte damit den Gemeinden ein Werkzeug an die Hand geben, damit die Kinder die Lieder der Primarvereinigung besser lernen können.

Hier geht’s zu den MP3-Aufzeichnungen der Trauerfeier mit dem Lied Bei meiner Taufe.