Morgen jährt sich Teresas Todestag zum zweiten Mal. Die vergangenen beiden Jahre waren äußerst turbulent – anfangs sehr schwierig, denn ein Leben ohne Teresa war für mich einfach unvorstellbar. Die Nächte, in denen ich weinend einschlief und die Tage, an denen ich mich morgens gramgebeugt aus dem Bett quälte und mich ohne Aussicht auf Besserung in die Arbeit schleppte, habe ich nicht gezählt; die überfallartigen Trauerattacken, die mich immer wieder tagsüber heimsuchten und die ich vor meinen Arbeitskollegen verbarg, ebenfalls nicht. Die tröstenden Worte von Freunden und Angehörigen, dass die Zeit alle Wunden heilen würde und ich eines Tages über diesen tragischen Verlust hinwegkommen würde – sie klangen in meinen Ohren schal und platt. Ich dachte mir: Sie haben keine Ahnung, sie wissen nicht wovon sie reden, sie haben es nicht selbst erlebt. Trost brachte mir erstaunlicherweise, nach und nach, etwas ganz anderes.
Ende April 2014, keine zwei Monate nach Teresas Tod, begab ich mich auf Spurensuche. Ein bestimmter Gedanke ließ mich nicht mehr los: ich wollte mich mit dem Theater Augsburg in Verbindung setzen und versuchen, für den Extrachor vorzusingen. Teresa hatte in diesem Chor selbst etwa fünf Jahre mitgesungen und war an zahlreichen Opernproduktionen im Großen Haus und auf der Freilichtbühne beteiligt gewesen. Ich folgte dieser Eingebung, und zu meiner großen Überraschung gelang es mir sofort, in den Chor aufgenommen zu werden. Den Frühsommer 2014 verbrachte ich also auf der Freilichtbühne – mit My Fair Lady, dem Musical, das Teresa selbst 15 Jahre zuvor an der gleichen Stelle gesungen hatte. Viele von den Chormitgliedern des Extrachors und auch des Opernchors kannten Teresa noch und hatten sie als nette Kollegin in guter und angenehmer Erinnerung. Ich war in eine Welt eingetreten, die Teresa vorbehalten und mir unbekannt gewesen war und die sich mir nun Stück für Stück öffnete.
Was für ein unvergleichliches Abenteuer das war! Die heilende Wirkung der Musik, von der Teresa immer wieder gesprochen hatte, war keine Einbildung – das konnte ich deutlich spüren! Dankbaren Herzens stand ich Abend für Abend auf der Bühne – erst auf der Freilichtbühne, später dann im Großen Haus – und erlebte die Meisterwerke des Musiktheaters hautnah mit. Im Lohengrin beispielsweise ist die Ouvertüre ergreifend schön, und da der Chor als Stillleben inszeniert war und sich gar nicht bewegen durfte, konnte ich diese Musik regelrecht in mich aufsaugen. Es hatte fast schon eine hypnotische Wirkung.
Im Chor habe ich auch Constanze kennengelernt. Sie antwortete mir auf eine Mailnachricht, die ich an alle Mitglieder des Extrachors gerichtet hatte und in der ich mich dafür bedankt hatte, so gut aufgenommen worden zu sein. Wir schrieben uns öfter, sahen uns natürlich auch auf der Bühne und bei den Proben, und verliebten uns am 2. Januar 2015 ineinander, als ich sie anlässlich eines Essens, zu dem sie mich eingeladen hatte, in München besuchte. Seit diesem Tag waren wir ein Paar, hielten das aber noch eine Weile vor den Kollegen im Theater geheim. Witzigerweise inszenierte uns der Regisseur von Macbeth, Lorenzo Fioroni, in dieser Produktion als Paar, und wir schlenderten Arm in Arm über die Bühne, obwohl niemand wusste, dass wir tatsächlich zusammengehörten. Fioroni hatte es gespürt!
Constanze und ich planten unsere Hochzeit für den 8. August 2015. Das ist ein besonderer Tag, da Augsburg das hohe Friedensfest feiert, das Standesamt in Friedberg aber geöffnet hat. Einen Tag später schon waren wir gen USA in die Flitterwochen entschwunden, wo wir unvergessliche Tage in Denver, Salt Lake City und Las Vegas verbrachten. Einer der vielen Höhepunkte dieser Reise war eine Probe mit dem Tabernakelchor im Konferenzzentrum in Salt Lake City unter dem Dirigenten Mack Wilberg.
Constanze musste ihrem geliebten München den Rücken kehren. Sie kündigte ihren Job und zog zu mir nach Friedberg, was für sie ein großes Opfer bedeutete. Eine ihrer ersten Ideen zur innenarchitektonischen Ausgestaltung unseres gemeinsamen Heims war, Teresas schönes Porträtfoto zu vergrößern, zu rahmen und prominent im Eingangsbereich zu platzieren. Dort hat auch eine Christusstatue – eine Nachbildung der berühmten Christusstatue von Thorvaldsen – ihren Platz gefunden. Es ist ein schöner, friedlicher Ort geworden, ein Ort der Andacht und der Erinnerung an eine Frau, die ein so erfülltes und reiches Leben geführt und so viele Menschen positiv beeinflusst hat.
In den letzten Monaten habe ich nicht viel auf Teresas Website veröffentlicht – zu frisch war der Schmerz in mir eingebrannt. Ihr Erbe und ihr Andenken sind aber keinesfalls in Vergessenheit geraten – im Gegenteil: ich bin heute dankbarer für sie denn je. Und das viele Material – in Form von Fotos, Tagebucheinträgen, Ansprachen, Notizen, Musikbeiträgen und Videofilmen –, das es von ihr und über sie noch gibt, werde ich im Laufe der Zeit nach und nach veröffentlichen, denn sie hat es verdient, und ich fühle mich mittlerweile in der Lage dazu. Für mich war und ist Teresa eine der wahrhaft großen Frauen unserer Zeit, und ich bin meinem Vater im Himmel sehr dankbar dafür, dass ich 26 wunderbare Jahre lang für sie da sein durfte.